Slapstick ,eine wahre Geschichte

Heute habe ich mir etwas vorgenommen. Damit mir nichts in die Quere kommt, habe ich mich zu einem Bürgertest angemeldet. Glücklich und bis an die Haarspitzen geimpft mit guter Laune, schnappe ich mir meine Stützen  und mache ich mich auf dem Weg zum Testzentrum. Ich habe weniger Zeit benötigt, als gedacht und bin stolz auf mich, den Weg geschafft zu haben. Die kalte, klare Luft geniesse ich in vollen Zügen. Wieder zu Hause angekommen, erreicht mich auch schon das Testergebnis. Schockschwerenot! Positiv! Ich fühle mich gesund, aber irgendjemand hat mir mit einem Brett vor den Kopf geschlagen. Das muss ich erst einmal verdauen. Die letzten Kontakte waren an der frischen Luft, maskiert, und das mit gebührendem Abstand. Laut verfluche ich die Leute, die auf meinen Frühstücksapfel gehustet haben. Es hat trotz abwaschen mit heißem Wasser, wie es scheint nichts genützt. Laut Internet gibt es Rat unter der Telefonnummer des Kassenärztlichen Notdienstes. Bei meinem letzten Versuch habe ich fünfundvierzig  Minuten in der Warteschleife gehangen, bevor ich aus ihr hinausgeworfen wurde. Heute ist mir das Glück hold. Nach kurzer Zeit habe ich mein Problem einer netten Stimme am Telefon schildern können. Ich benötige einen andern Test. Beim Abfragen meiner Daten stellen wir fest, die nette Stimme am Telefon ist mein Nachbar. Wir mussten lachen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit in einer Hotline jemanden zu hören, den du kennst. Er hat mir seine Hilfe angeboten, wenn das Testergebnis bestätigt werden sollte. Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden kommt jemand vorbei. Ich horche in mich und fühle mich immer noch gut. Ich koche mir erst einmal eine Tasse Kaffee, denn wenn ich aus dem Tiefschlaf geweckt werde, kann es gelegentlich sein, daß ich zum Alien mutiere. Das muss ja nicht sein und halte mich wach. Ein Glas Wein auf den Schreck wäre mir lieber gewesen. Nach vier Stunden klingelt es an meiner Tür. Ich habe eine Erscheinung. Eine Frau steht vor der Tür. Sie stellt sich vor:! Kassenärztliche Vereinigung, ihre Krankenversichertenkarte bitte“, ein Teströhrchen, unverpackt in der Hand. Hinein kommen wollte sie nicht. Auf meiner Fußmatte stehend, hat sie mir im Treppenhaus den Test abgenommen. Sicherlich hat sie auch noch ein paar Spinnweben und Aerosole von Nachbarn eingefangen. Ich bekomme einen Zettel in die Hand gedrückt mit den Worten.“Steht alles drauf“. Innerhalb von Sekunden  beamt sie sich auf einer Eiswolke aus dem Treppenhaus. Glücklicherweise ist es bei mir nicht zu einer rapiden Verschlechterung gekommen. Jetzt gibt es, um die Kälte zu verdrängen, erst einmal einen Grog. Er ist vom weihnachtlichen Backen übrig geblieben. Dieses Ereignis muss ich tatsächlich mit Alkohol herunter spülen. Die Ärztin ohne Namen wollte sich sicherlich nicht kontaminieren. Beim zweiten Grog ereilen mich Fluchtgedanken. Die letzte Lebensphase sollte doch schön werden. Den schlechten Film, der gerade um mich herum läuft, habe ich nicht bestellt. Um nicht mit schlechten Gedanken schlafen zu gehen, suche ich nach netter Musik im Internet. Was entdecken meine leicht müden Augen? Die Bitte um eine Bewerbung als Richter für das Bundesverfassungsgericht. Gesagt, getan. Ich kann Ungerechtigkeit nicht leiden. Meine diversen Berufsausbildungen kann ich mit echten Zeugnissen, jahrelanger Berufstätigkeit und guten Zeugnissen belegen. In jedem Zeugnis wird mir gutes Benehmen und eine schnelle Auffassungsgabe bestätigt. Das ist mehr, als ein Teil unserer Politiker vorweisen kann; meine Universität war und ist das Leben und meine Interessen sind Kunst, Geschichte und soziale Arbeit. Dort, wo das wirkliche Leben stattfindet; wo man gehen muss, wenn man schlechte Arbeit abliefert. Werfen sie meine Bewerbung nicht weg, ich kann auch Kanzler. Zu dem kann ich so meine karge Rente aufbessern und kann da sterben, wo ich eigentlich verwurzelt bin. Der Rum ist ausgetrunken, die Bewerbung ist raus. Ich habe nur mit dem Bild geschummelt. Das ist zehn Jahre alt.

Hamburg Dulsberg, März 2022 

Ich konnte und wollte mir nie Krieg vorstellen. Kenne ich doch Soldaten der Bundeswehr, die ihre Auslandseinsätze immer noch nicht verkraftet haben, die Erzählungen meiner Nachbarn aus Syrien, Serbien, Bosnien, Afghanistan…Höre Geschichten aus der Schule, weil türkische und russische Kinder aufeinander losgehen. Plötzlich sollen russische Waren aus den Supermärkten genommen werden. Kommen die jetzt in die Hilfspakete für die Ukraine? Warum werden Fensterscheiben von russischen Geschäften eingeworfen? Gelegentlich mag ich einfach nicht mehr und ich weiß, mit diesem Gefühl des Entsetzens bin ich nicht alleine.