Am Samstag hat Leo sich ein Auto geliehen und wir sind nach Schleswig-Holstein gefahren, um einzukaufen. Irgendwann lächelt der Schumacher nur noch milde, die Kleidung ist schäbig und dünn geworden. Der Zeitpunkt um zu handeln, ist nicht mehr verschiebbar. Warum in den Norden? Es ist kein Geschäft irgendeiner Kette. Auffallend war trotz Autobahnnähe die Ruhe. Die Menschen freundlich, keiner der hupte, oder an der Kasse laut wurde und nach einer fünften Kasse rief. Wir haben uns gefühlt, wie aus der Zeit gefallen. Es war doch nur Norderstedt. Mehr Platz für den Einzelnen und die Stimmung scheint gleich freundlicher, aufgeräumter.
Nun komme ich gerade von meinem Supermarkt auf der anderen Straßenseite. Es ist elf Uhr. Die Regale sind noch nicht aufgefüllt. Ein Schild am Eingang macht aufmerksam, dass keine Kartenzahlung möglich ist. Die meisten tragen ein verkniffenes Gesicht zur Schau und rempeln dich an. Ich seufze innerlich. Vor dem Kühlregal bemerke ich, wie eine ältere Dame ein kleines Stück Streichwurst zurück legt. „Schon wieder teurer“, höre ich sie murmeln. Wir kommen ins Gespräch. So erfahre ich, die Tafel ist erst morgen. Sie ist 86 Jahre alt, lebt allein. „ Stolz muss man sich heute leisten können“, sagt sie. Sie fühlt sich als Kostenfaktor Rentner, ihrer Würde beraubt. Die heutige Zeit würde sie an früher erinnern. Die Zeit ist besser gewesen, weil die Menschen sich untereinander geholfen haben.“ In der Not geboren und mit Not gehen“, ihre Augen füllen sich mit Tränen. Auf einen wichtigen OP Termin muss sie bis nächstes Jahr Mai warten.“Sie hoffen, dass ich vorher sterbe“, ist ihre Vermutung. Ich nehme mir die Zeit für ein längeres Gespräch. Sie gehört zu der Generation, die Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut haben.
Menschen, die mich länger kennen, bezeichnen mich als Wanderin zwischen den Welten mit Brückenfunktion. Brücken sind stark und belastbar. Die kleinen Schwachstellen werden so oft übersehen. Das Gespräch hat solch eine Schwachstelle getroffen und bedarf dann einer gewissen Aufmerksamkeit, durch Reparatur. Die Stadt Hamburg hat mehr Brücken, als Venedig und auch viele Menschen mit ähnlichen Schwachstellen. Sie werden nicht gesehen.
Im Gespräch habe ich festgestellt, ich rede nicht mehr von unserem Land, unserer Stadt, etc. Das Zeitgeschehen hat es geschafft, dass mir die Verbundenheit abhanden gekommen ist. Geht es Anderen ähnlich? Mich berührt immer noch das Gespräch mit der alten Dame. Tränen, die diese Generation weint, lügen nicht.
Die Stadtschreiberin