Gestern früh hatten wir 2 Grad Temperatur. Ich bin erst einmal im Bett geblieben, denn meine Knochen mögen die Kälte nicht. Später bin ich unterwegs in meinem Stadtteil gewesen und bin auf zwei empörte Nachbarn getroffen. Ihre Empörung hat der Energiekostenabrechnung gegolten. Sie wissen nicht, wie sie diese begleichen sollen. Es sei doch eh schon Alles so teuer geworden. Ich habe Tränen der Verzweiflung in ihren Augen gesehen. Kurzfristig beschließe ich, nicht an den Briefkasten zu gehen. Heute will ich mir nicht die Laune verderben lassen. Ich vertage das Ärgern auf später. Den Regierenden ist es eh egal, denn die Armut für die Bürger ist durch sie schon längst beschlossen. Ich habe, wie die anderen Nachbarn versucht, Energiekosten zu sparen. Es hat mich Lebensqualität gekostet. Kurz vor der Haustür treffe ich einen andren Nachbarn. Er überlässt mir das Abendblatt von gestern. Er weiß, dass ich male, und das Papier zum abdecken des Bodens nutze. Das Malen verschiebe ich auf wärmere Tage, dann spielen meine Knochen besser mit. Ein Blick auf das Abendblatt erweckt mein Interesse. Mit Entsetzen lese ich, dass die Aufnahmekapazität für Migranten erreicht ist. Sie schreiben von 98 % Auslastung. Es besteht weiter Bedarf. Um Obdachlosigkeit zu vermeiden, bereitet die Sozialbehörde, Stadträtin Petra Lotzkat, die Bezirke darauf vor, Parks und Festplätze für wintertaugliche Zelte zur Verfügung stellen zu müssen. Als erstes habe man Stellingen ins Auge gefasst. In mir steigt die Fassungslosigkeit auf. Bilder von Zeltstädten entstehen vor meinem inneren Auge. Erfahrungsgemäß bedeutet es: funktioniert eines, dann funktionieren auch mehrere. In meinem Stadtteil hat es lange gedauert, bis der Grünzug nicht mehr von Nebelschwaden durch Cannabis überzogen wurde. Man musste nicht konsumieren, nur atmen… Mittlerweile werde ich, während meiner Spaziergänge, aggressiv von Dealern auf den Wegen angesprochen. Jetzt auch noch Zeltstädte zusätzlich zu den Containern? Meine Freiheit wird es einschränken, denn Spaziergänge in dieser Stadt werden bedrohlich. Sicher fühle ich mich so nicht. Was ich auch noch sehe, es kostet die Stadt Hamburg Geld. Gespart wird an den Bürgern. Ich friere nicht mehr für Krieg und Freiheitseinschränkungen. Den Beschluss habe ich gerade gefasst. Es bedarf noch einiger Zeit für Recherche, in welches Land ich ziehen kann. Ich habe lediglich eine karge Rente und keine Ersparnisse. Es wird sich schon ein Land finden. Ich bin traurig, denn ich bin in diesem Land geboren. In dieser Erde wollte ich begraben werden. Wie es scheint, wird es zu einem klaren Fall von ist nicht. Sind alle Migranten, die noch kommen, Verfolgte oder Kriegsflüchtlinge?

Die Stadtschreiberin